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Stofffarben

nser Eindruck von der mittelalterlichen Gewandung ist von den Gemälden der Alten Meister geprägt. Danach würde jeder damals immer nur teure farbenfrohe Gewänder getragen haben. Aber es ist nur eine Auswahl: die besten Gewänder einer Oberschicht. Heilige werden, um ihre Erhabenheit darzustellen, mit entsprechender Kleidung gewürdigt. Stifter lassen sich in ihrer besten Kleidung porträtieren, die die Maler oft auch noch aufbessern sollten. Die Maler wollten bestimmte Aussagen ma-chen, aber nicht den Alltag beschreiben. Es sind keine Beweisphotos. 
Grundsätzlich werden die Gewänder zwischen werkeldages und hilgedages unterschieden, zwischen Werktag und Feiertag. Auch höhere Stände trugen normalerweise ihre einfachen Gewänder. Selbst der niedere Adel war anspruchsloser als man gemeinhin annimmt. Die große Masse der ärmeren Bevölkerung trug haupt-sächlich Kleider aus ungefärbter Wolle einheimischer Herkunft. Doch flandrische Tuche besaßen auch Menschen bescheidenen sozialen Standes.
Ungefärbte Schafwolle ergibt eine beachtliche Skala von Farb-tönen, beginnend mit Braunschwarz über Rotbraun, hellbraune, graue und ockerfarbene Töne bis zum reinen Weiß. Als den häu-figsten und vorherrschenden Ton haben wir ein mittleres Grau zu betrachten, das im Mittelalter von den Bauern getragen wurde und darum auch „bäuerliches Grau“ (griseus rusticanus color) hieß. (Ploss) Oder sie trugen ungebleichtes Leinen. Die Bäuerinnen haben meist selber gewebt und zwar hauptsächlich für den Eigenbedarf.
Stoffe, die um des eigenen Seelenheiles willen zur Anfertigung von Kleidung für Arme vererbt wurden, waren billiger einheimi-scher Herkunft und ungefärbt, vor allem von grauer Farbe, Grautuch, seltener auch weiß.
Und nun die prozentualen Anteile der Farben vererbter Gewänder aus Lübecker Testamenten nach Selzer. Dennoch ist zu bedenken, daß die im Folgenden skizzierten Farbakzente städtischer Kleidung sich von einem Hintergrund abhoben, in dem bunte Farben fehlten. (Selzer) Denn vererbt werden die wertvolleren Stücke.
 

Schwarz nahm im 15. Jh. stark zu auf Kosten von Blau. Violett wurde mit Braun zusammengefaßt. Gelb kommt nicht vor.
Die weitverbreitete Meinung, daß Gelb die Farbe der Prostituierten sei, soll auf eine Kleidervorschrift eines Mittelalterveranstalters zurückgehen, die wohl tatsächlich auf einer echten Kleiderordnung aus Köln des 15. Jh. beruhen soll. Prostituierte kommen in den Lübecker Kleiderordnungen auch vor. Einzige Vorschrift: Ihre Kleidung mußte einfach sein ohne irgendwelchen Zierat. Erst nach 1502 mußten sie ein schwarzes Bändchen an der Mütze haben. Gelbe Kleider wurden aber durchaus beim Adel getragen.
Am teuersten, weil am aufwendigsten herzustellen, waren Dunkelblau und Schwarz.
Den handwerklichen Textilfarben fehlt es an der Strahlkraft der modernen Chemie. Sie haben etwas, das die Impressionisten das „atmosphärische Grau“ nannten, das die Mittelalterlichen aber nicht beabsichtigten, und die Maler mit ihren Malfarben auch nicht.

Die wichtigsten Färbemittel:
Blau Färberwaid (Isatis tinctoria - Kreuzblütler) Der darin enthalte-ne Farbstoff ist das Indigo, der in der Indigopflanze sogar in 20-facher Konzentration vorliegt. Im Mittelalter hatte man für Blau praktisch nur Waid zur Verfügung. Erst im 16. Jh. kam Indigo der Indigopflanze in so großen Mengen zu uns, daß dadurch die Waidwirtschaft zusammenbrach.
Waidblau wird in Form von Klumpen gemahlener, eingedickter und getrockneter Waidblätter geliefert Die spezielle Art zu Färben nennt man Verküpung: Der wasserunlösliche Indigo verwandelt sich durch reduzierende Lauge, z. B. mit Asche oder ausgefaultem Urin, in leicht lösliches Indigoweiß, das an den Fasern haftet. Trocknet man die so behandelten Stoffe, bildet sich in ihnen mit dem Luftsauerstoff wieder das blaue Indigo. Je dunkler das Blau, desto mehr  Färbegänge sind hintereinander erforderlich.

Schwarz Es wird mit Eisensalzen und -oxyden oder Eisenfeilspä-nen mit Gerbsäure in wäßriger Lösung gekocht, das macht das Gewebe aber allmählich brüchig. Oder man wendet Farbgänge verschiedener Farben an, u.a. mit Walnußschale. Schwarz war selten vollkommen. Es war heller oder es changierte im Sonnen-licht.

Gelb Wau, Färberblume, Gelbe Blume (Reseda luteola - Reseda-gewächse). Verwendet werden vor allem die blühenden Äste. Alaunbeize
Rot Krappwurzel oder Färberröte (Rubia tinctoria - Labkrautge-wächse) mit Alaunbeize; Saflor (sprich saflór) oder Färberdistel (Carthamnus tinctorius Korbblütler).

Grün Man färbt blaues Zeug mit gelbem Wau grün.
Die Farben konnten im Hinblick auf Intensität und  Nuancen viel-fach abgewandelt werden, nicht zuletzt durch die Beizen.
Beizen zur Vorbehandlung des Färbegutes verwendet man Alaun, Aschenaufgüsse, Kalklaugen, Zinnsalz, ausgefaulten Urin, Vitriole.
Die Materialien in der Reihenfolge zunehmender Färbbarkeit:
Leinen - Baumwolle - Wolle - Seide

Leinen ist von Natur aus grau. Darüber, daß Leinen in vorindust-rieller Zeit weit schwerer zu färben war als Wolle, mit größerem Aufwand an Material und Mühe, besteht kein Zweifel. Das liegt daran, daß Leinen und andere Pflanzenfasern wie Hanf und Brennesseln fast nur aus Zellulose bestehen und nicht aus Eiweiß wie die tierischen Fasern von Wolle und Seide.
Eine Enzyklopädie von 1822 sagt, Blau und Schwarz seien fast die einzigen Farben, welche man der Leinwand vollkommen dau-erhaft mitzuteilen im Stande sei. Blau könne man Leinen nur mit Indigo färben, das könne man mit Waid nicht tun. Dieser könne nur zu den wollenen Zeugen gebraucht werden. Für Schwarz benötige man Blauholz. Aber das kommt vom mittelamerikani-schen Campechebaum (Familie der Hülsenfrüchtler), der uns im Mittelalter nicht zugänglich war. Andererseits wird aus dem Mittelalter von einem Stoff mit der Bezeichnung kogeler, hochdeutsch: gu-, go-, gigeler, berichtet. Dieser Stoff ist blaues Leinen.
Demnach hat es am ehesten Sinn, Leinen blau zu färben, auch mit Waid. Alle anderen Färbungen von Leinen sind weniger licht- und waschecht, daß so gefärbtes Leinen wohl mehr oder weniger verblichen oder verwaschen aussieht. Sowas ist eher unterschichtig. Das meiste mittelalterliche Leinen dürfte weiß geblichen gewesen sein.

Quellen:

Brockhaus‘ Konversations-Lexikon, Neunter Band, Leipzig 1894

Encyklopädie des gemeinnützigen weiblichen Wissens, oder allgemeines praktisches Handwörterbuch für Frauenzimmer aus allen Ständen, Hg. J. A. Donndorff, Quedlinburg und Leipzig 1822

Emil Ernst Ploss, Ein Buch von alten Farben, Technologie der Textilfarben im Mittelalter mit einem Ausblick auf die festen Far-ben, Heidelberg und Berlin 1962

Stephan Selzer, Blau: Ökonomie einer Farbe im spätmittelalterli-chen Reich, Stuttgart 2010

Bild unten rechts: Färber aus einem Hausbuch der Zwölfbrüderstiftungen, um 1425,
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