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Gläser

afelgeschirr aus Glas - nach einem Beitrag von Marianne Dumitrache, Konstanz. - Er enthält einen Glastypenkatalog von 680 Objekten des  Zeitraums vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, die von Ausgrabungen der Jahre 1947 - 1973 in der Lübecker Altstadt, überwiegend aus Brunnen und Kloaken, stammen.

Glas besteht aus einem geschmolzenen und wieder erhärteten Gemenge aus Sand, Kalkstein und Pflanzenasche in einem bestimmten Mengenverhältnis. Ausschlaggebend für die Glasfarbe sind verschiedene Spurenelemente, insbesondere Eisen. Auch wenn zur Entfärbung Mangandioxyd, die sog. Glasmacherseife, verwendet wurde, blieb ein Grünstich fast immer zurück. Ursprünglich ist es wohl nur den venezianischen Glasmachern gelungen, ein wirklich farbloses Glas, das sog. „cristallo“, zu produzieren. Es gibt aber Anhaltspunkte, daß auch nördlich der Alpen farbloses Glas hergestellt wurde.

In unvollständig erkaltetem Zustand wurde das Glasgefäß von dem Hefteisen abgebrochen, so daß ein mehr oder weniger sauberer Abriß entstand. Meist haben die Gefäße am Boden einen Einstich, der einerseits zur Bildung eines Standrings, andererseits auch zur Weiterbearbeitung des Rohlings diente.

Verzierungen erhielt man durch einpressen oder einblasen der Glasblase in eine gemusterte Hohlform oder durch auflegen von geschmolzenem plastischen Dekor.

Im 15. Jahrhundert wurde das Glas zur Massenware und war für alle sozialen Schichten erschwinglich. (Peter Steppuhn)

Außer ein paar seltenen Arten sind hier alle in Lübeck im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts vorkommenden Typen dargestellt:

Abkürzungserläuterung: Bd. = Bodendurchmesser; Fd. = Fußdurchmesser; H. = Höhe; Kd. = Kuppadurchmesser; Rd. = Randdurchmesser; Std = Stand-ringdurchmesser; Wad. = Wandansatzdurchmesser (Fußscheibe); Wd. = Wandungs-durchmesser; - in cm.

Unverzierte konische Becher

-   Unverzierte konische Becher (10 Stück) aus farblosem, auch leicht getön-tem, Glas mit eierschalendünner Wan-dung, vom Ende des 13. bis ins 15. Jahr-hundert hinein. In erster Linie kommt Venedig als Herkunftsort in Betracht.

 

Fig. 1  Becher, Mittelmeerraum, 14.-15. Jh. H 6,1; Rd. 6,5; Bd. 3,3.

Formgeblasene und gemusterte Becher

- Formgeblasene und gemusterte Becher (45 Stück) meist aus grünem Waldglas, aber auch fast farblos, ocker, hellblau, sehr hellgrün. Die Entwicklungsreihe dieser Becher begann vermutlich mit der zylindrischen Form mit Rippenverzierung in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und ging über zu einer zylindrischen, leicht tonnenförmigen und konischen Form mit Kreuzrippenmuster vom 15. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, schließlich zu den napf- und schalenförmigen, den sog. Maigelein, Bechern der zweiten Hälfte des 15. Bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sechs- und achteckige Becher sind selten. Die Produktionsstätten dieser Becher lagen wohl in Mitteldeutschland.

Fig. 2 Formgeblasener Becher, deutsch, 15. Jh. H. 6,7; Rd. 5.8; Bd. 4,8. Grünes bis hellgrünes Waldglas, Diagonal-rippen.
Fig. 3 Formgeblasener Becher, deutsch, 15. Jh. H. 7,6; Rd. 7,0; Bd. 5,2. Grünes Waldglas, schwach ausgeprägtes Buk-kelmuster.
Fig. 4 Formgeblasener Becher, deutsch, 15.-16. Jh. H. 5,2; Rd. 7,4; Bd. 5,0. Grünes Waldglas, feines Kreuzrip-penmuster.
Fig. 5 Formgeblasener Becher, deutsch? 15.-16. Jh. H. 6,0; Rd. 5,7; Bd. 3,5. Fast farblos, ockerfarbig schimmernd, Rautenmuster.

Formgeblasener Bechertyp mit Fadenauflagen

- Der formgeblasene Bechertyp mit Fadenauflagen (18 Stück); er kommt in zylindrischer, gebauchter und konischer Form vor. Die Glasmasse ist farblos. Die Verzierung besteht aus formgeblasenen Vertikalrippen. Die Randkante der Becher ist immer mittels eines meist blauen bis hellblauen Fadens verdickt. Am Boden ist ein eingekerbter Standringfaden angeschmolzen. Selten sind Blattgoldverzierungen. Die sorgfältige Bearbeitung dieser Gläser steht für handwerkliches Geschick und eine längere Tradition des Handwerks. 14. bis zur ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Als Herkunftsort wird Venedig angenommen.

Fig. 6  Formgeblasener Becher, Mittel-meerraum, 14.-15. Jh. Rd. 12,0; Wd. 12,0. farblos, ursprünglich wohl 16 Rippen, Randkante mit blauem Faden verziert.

Fig. 7 Formgeblasener, gebauchter Bech-er mit Diagonalrippen, Mittelmeerraum, 14.-15. Jh. H. 8,3; Rd. 5,3; Wd. 10,6; Std. 6,2. Farblos. Standringfaden tropfen-förmig ausgezogen, Kante mit einem blauen Faden verziert, Diagonalrippen nach links geneigt.

Becher mit tropfenverzierten rippenförmigen Auflagen

- Becher mit tropfenverzierten rippenförmigen Auflagen. (21 Stück) Dieser Bechertyp existiert als gebauchte und zylindrische Variante. Die aufgelegten Tropfen sind hell- bis dunkelblau, gelegentlich dunkellila. Die Glasmasse kann fast farblos mit hellgelblichem bis hellgrünlichem Farbton sein oder hellgrün bis hellblau. Produziert in norddeutschen und böhmischen Glashütten. Mitte bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Fig. 8 Becher, Böhmen, 14.-15. Jh. H. 14,1; Rd. 10,8; Wd. 9,8; Std. 7,5. Farblos, an der Randkante dunkelblauer Faden, 15 Rippen mit dunkelblauen Tropfen.

Gebauchte Nuppenbecher

-  Gebauchte Nuppenbecher, die sog. Krautstrünke (16 Stück), sind typisch für das Spätmittelalter. Die Glasfarbe variiert von hellgrün, hellblau über grünlichblau bis dunkelgrün. Der Standring ist üblicherweise gekniffen. Die Krautstrünke werden ins 15. Jahrhundert bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts datiert. Neben den gebauchten gibt es auch zylindrische Nuppenbecher.

Fig. 9 Nuppenbecher, deutsch, 15.-16. Jh. H. 11,7; Rd. 8,2: Wd. 6,4; Hellblaugrün, Nuppen gekniffen, je drei übereinander-liegend.

Konische Nuppenbecher

-  Konische Nuppenbecher (11 Stück) aus hellgrünlichblauem Glas. Der Standringfaden ist glatt, selten gekniffen, deutsch, 15.-16. Jahrhundert.

Fig. 10  Nuppenbecher,  deutsch, 15.-16. Jh. H. 9,2; Rd. 8,5: Std. 5,5; Nuppen nach links ausgezogen.

Becher mit angeschmolzener Fußscheibe

 - Becher mit angeschmolzener Fußscheibe. (74 Stück) Das Glas, aus dem diese Becher hergestellt sind, ist stark entfärbt, die Töne schwanken zwischen sehr hellgrün, hellgelb, hellgelbgrün. Die Becher sind entweder zylindrisch, keulenförmig oder sie haben eine leicht gebauchte Wandung mit abgesetztem Rand, die senkrecht aufsteigend oder nur wenig nach außen geneigt sein kann. Die letztere Form ist auch unter dem Namen „Igel“ bekannt. In der Lübecker Glassammlung stellt dieser Bechertyp mit über 340 Einzelaufnahmen eine der umfangreichsten Bechergruppen dar. Die Verzierungsvariationen dieses Fußbechertyps sind vielfältig.

Fig. 11  Stangenglas, deutsch, 15. Jh. H. ca. 39.3; Rd. 3,0; max. Wd. 3,3; Wad. 8,0; Fd. 12.3; Ober- und Unterteil eines Bechers, Rekonstruktion. Fast farblos ockerfarbig schim-mernd, Vertikalrippen.

Fig. 12  Keulenglas, deutsch, 14.-15. Jh. Rd. 8,4; max. Wd. 7,8; Wad. 4,7; Fd. 10,8; Fußscheibe und Oberteil eines Bechers, Rekonstruktion. Fast farblos, hellgrüner Farbton, sichel- oder schneckenförmige Auflagen.

Für das mehreckige Stangenglas liegt eine frühe Datierung in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts aus Höxter und Volsbach im Eichsfeld vor. Ansonsten wird dieser Typ in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, eher noch in die Zeit Ende des 16. - 17. Jahrhunderts eingestuft.

Zum Vergleich:

- Frühe Römer mit Trichterrand, hellgrün, Standringfaden gekniffen, Rand durch sehr feinen Halsfaden abgesetzt, kleine, nach oben ausgezogene Nuppen in zwei Reihen versetzt angeordnet, deutsch, 16/17. Jahr-hundert.

Fig. 13  Früher Römer, deutsch, 16.-17. Jh. H. 8,2; Rd. 5,5; Std. 4,4; Hellgrünlichgrau, zwei Reihen von je sieben Nuppen.

- Römer, Fuß bestehend aus mehrfach gewundenem Faden, Schaft mit zwei oder drei Reihen von je vier Beeren-nuppen verziert, Rand durch überrollten Faden abgesetzt. Hellgrünes bis grünes Glas  17.-18. Jahrhundert. Römer aus farblosem, sog. Kristallglas, sind sel-ten.

Fig. 14  Römer, Deutsch, 17. Jh. Max. Kd. 5,9; Wd. 2,4; Fd. 4,2; Schaft zylindrisch, Kuppa gerundet, zwei Reihen kleiner Beerennuppen.

- Kelchgläser gliedern sich in Fußscheibe, Stengel und Kuppa, alle sind aus Kristallglas, norddeutsch, 18. Jahrhundert. Einige wenige holländisch, 17. Jahrhundert.

Fig. 15  Kelchglas, norddeutsch, 1. Hälfte 18. Jh. H. 15,2; Rd. 6,4; Fd. 7,4.

Neben dem Tafelgeschirr in Becherform sind dem Katalog für die hier betrachtete Epoche weitere Typen von Glas-gegenständen angegeben:
Flaschen, darunter 1 Kuttrolf, Lampen, Urinale, Fensterglas rautenförmig.

Quellen:

Peter Steppuhn, Ein Mittelpunkt für die festliche Tafel, in: Gefunden in Lübeck. Archäologie im Weltkulturerbe, Hr. Manfred Gläser, Lübeck 1997

Marianne Dumitrache, Glasfunde des 13.-18. Jahrhunderts aus der Lübecker Innenstadt, Grabungen 1948-1973 in: Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 19, Bonn 1990

Abbildungen:
Amt für Vor- und Frühgeschichte (Bodendenkmalpflege) der Hansestadt Lübeck

Bild, rechts unten: Glasbläser aus Hrabanus Maurus, De Univrso 1023, Kloster Montecassino