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Pest

ie Justinianische Pest von der Mitte des sechsten bis zum Beginn des achten Jahrhunderts erfaßte vor allem die südlichen Teile Europas. Nun, nach über 600 Jahren, überrascht erneut eine Pandemie die Christenheit.

Krisenhafte Entwicklungen setzten schon vor dem Schwarzen Tod ein. Unheildrohende Kometen erschienen. Ab 1300 verschlechterte sich das Klima. Mißwachs und Dürre verdarben allenthalben die Ernte. Schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gab es zahlreiche Hungerjahre in verschiedenen Teilen Europas. 1343 gab es überall in Mitteleuropa ein Katastrophenhochwasser und im Januar 1362 die Zweite Marcellusflut an der Nordseeküste, die grote mandrenke. Das vierzehnte, das unglückliche Jahrhundert.

Der Mensch aber, durch so viel Schlimmes und Widerspruchs- volles an Gegenwart und Zukunft irre geworden, taumelte erschreckt umher und spähte nach etwas Festem. Die Ernsten zogen sich gänzlich auf ihren Gott oder ihre Kirche zurück, fasteten, beteten und taten Buße. Die Leichtfertigen stürzten sich in ein zügelloses Welttreiben, öffneten der Gier und dem Laster alle Ventile und machten sich aus dem Leben eine möglichst fette Henkersmahlzeit. Viele erwarteten das Jüngste Gericht. (Egon Friedell)

Man war sich darin unsicher, ob die Pest Gottes- oder Teufelswerk war. Sogleich beschuldigte man die Juden und verfolgte sie grausam. In Rostock gab es eine jüdische Gemeinde, in anderen Städten im angrenzenden Ostseegebiet waren nur einzelne Juden seßhaft und in Lübeck gar keine. Hier bezichtigte man zwei Christen, einen Mann und eine Frau, sich von Juden gegen Geld gedungen haben zu lassen, und mit giftigen Würmern viel Volk vergiftet zu haben. Beide wurden hingerichtet. Die Verfolgungen gingen von den Stadträten aus, nicht von den Bürgern und Einwohnern. Das war 1350.

Neben anderen war der hl. Sebastian der bevorzugte Schutzpatron gegen die Pest. Ende des 15. Jahrhunderts verbreitete sich der Rochuskult, seit 1488 auch im Norden, wobei Lübeck das Zentrum war.

Die Pest - pestilencie  f., sterve m., stervent n. - verbreitete sich nicht gleichmäßig und in breiter Front, sondern sprunghaft und ließ auch einige Gebiete unberührt, z. B. Prag und Böhmen. Man sah sie kommen, war aber nicht in der Lage sich darauf vorzubereiten. Die wenigen Berichte über die Pest sind in der Regel lakonisch und ungenau. Heute wird allgemein für die Stadtbevölkerung der Pestjahre 1348 bis 50 eine Mortalitätsrate von etwa einem Drittel angenommen. Das bedeutet 5000 Tote in Lübeck bei einer Zahl von 15 000 Einwohnern.

G. Wegemann (Die Volkszahl in Schleswig-Holstein im Mittelalter, in: ZSHG 47 (1917), S. 41-67.) schätzt die Bevölkerungszahl im Untersuchungsgebiet, das der Provinz Schleswig-Holstein in den Grenzen von 1917 entspricht, vor dem Schwarzen Tod von 1350 auf 430 000 Menschen und nach dem Schwarzen Tod auf 230 000 Menschen. 1460 betrug die Zahl 350 000.

Nach einer Inkubationszeit von drei bis sechs Tagen kommt es bei der Beulenpest zu Schüttelfrost, Fieber und Lymphknotenschwellung. Besonders schwere Verläufe ruft die Lungenpest hervor, die in wenigen Tagen zum Tode führt. Nach dem Schwarzen Tod 1348/50 folgten in Abständen verschieden heftige Epidemien, bis die Pest nach einem besonders heftigen Ausbruch in Marseille und der Provence 1720/21 in Europa erlosch. 1966-75 trat sie noch einmal in Afrika, Asien und Amerika auf. Verschiedentlich wird aber bezweifelt, ob es sich im Mittelalter tatsächlich um die Beulenpest handelte.

Die Lübeck betreffenden Pestumzüge bis 1484/85:

1350, Juli bis Oktober. Der Schwarze Tod.

1358, im Sommer

1367, Höhepunkt im Sommer. Von den 25 Ratsherren starben elf.

1376, Höhepunkt im Sommer

1388, 29. Juni bis 21. Oktober

1396, 25. Juli bis Martini, Beulenpest

1406, Häufung im Mai, möglicherweise eine andere Krankheit als Pest

1420/21, wahrscheinlich auch in Lübeck

1433, soll auch in Lübeck gewesen sein, nicht unbedingt eine Beulenpest.

1451, von Ostern bis Martini

1464, von Pfingsten bis Allerheiligen

1484/85, hielt sich auch im Winter.

 
Unsere Vorstellung von einem Pestarzt mit Schnabelmaske geht vermutlich auf eine Abbildung des Dr. Schnabel von Rom aus dem Jahre 1656  zurück. Abbildungen aus dem 15. oder 14. Jahrhundert habe ich noch nicht gefunden.

 

Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, München 1927-31
Jürgen Hartwig Ibs, Die Pest in Schleswig-Holstein von 1350 bis 1547/48, Frankfurt am Main 1994
Monika Prechel, Anthropologische Untersuchungen der Skelettreste aus einem Pestmassengrab am Heiligen-Geist-Hospital zu Lübeck in: Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 24, Bonn 1996

Bild unten rechts:

Ausgrabung von einem Teil einer Massenbestattung der Pest von 1350 außen an der Südwand des Heiligen-Geist-Hospitals. In den Gruben lagen die Skelette dicht an dicht in ca. fünf bis sechs Schichten übereinander.
Archiv des Amtes für Archäologische Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck