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Landschaft

s war einsam in der Landschaft, denn im Spätmittelalter lebten hier nur ein Zehntel soviel Menschen wie heute. Es gab nur ein Zehntel soviel Häuser oder noch weniger, weil in jedem Haus mehr Menschen wohnten als heute. Das heißt aber nicht, daß es auch nur ein Zehntel Ackerland gab. Weil damals die Erträge sehr viel geringer waren, mußte auch entsprechend viel Land unter den Pflug genommen werden.

Damals waren nicht die Viehweiden mit Flechtzäunen eingezäunt, sondern die Äcker und Gärten, um sie vor dem Vieh zu schützen, das außerhalb mehr oder weniger beaufsichtigt auf der Allmende, der Gemeinweide, weidete, die alle Berechtigten gemeinsam nutzen durften. Diese Allmende, ehemals Wald, war ein Gemenge von offenen Weideflächen, Viehtriften, Buschwerk, Einzelbäumen mit weit ausladenden Kronen und von größeren oder kleineren Gehölzen. Sehr artenreich - eine Freude für den Naturfreund. Einen richtigen Waldrand gab es kaum. Überall weideten Rinder, Schweine, Schafe und vielleicht auch ein paar Ziegen und fraßen den Jungwuchs der Bäume ab. Die Menschen holten sich Bau- und Brennholz, und die Köhler brannten Holzkohle.

Nur die Bannwälder waren noch richtige Wälder, denn diese haben sich die Landesherrn und der Adel reserviert, hauptsächlich um dort zu jagen. Manche dieser Wälder heißen noch heute „Gehege“ oder „Tiergarten“. Der waldbildende Baum im östlichen Hügelland ist bekanntlich die Rotbuche, auch Hainbuche und die besonders geschätzte Eiche sind häufig. Auf geringeren Böden, insbesondere auf dem schleswig-holsteinischen Mittelrücken, wächst ein Birken-Eichen-Wald, zu dem sich südöstlich der Linie Lübeck - Hamburg noch die Waldkiefer gesellt. Fichten oder Tannen gab’s hier nicht.

Die Äcker waren in zusammenhängenden eingezäunten Fluren, den Gewannen, zusammengefaßt auf den für Ackerbau geeignetsten Böden möglichst in Dorfnähe. Diese Gewanne waren in viele schmale Streifen aufgeteilt, von denen jeder Bauer mehrere besaß. Feldwege, die zu den verschiedenen Besitzungen führten, gab es nicht, stattdessen herrschte Flurzwang, d. h. im ganzen Gewann wurde das Gleiche angebaut und alle Arbeiten wurden von allen gleichzeitig getan.

Weil Entwässerung und Drainage kaum oder gar nicht entwickelt war, gab es noch mehr Feuchtgebiete, insbesondere in den Bach- und Flußniederungen. Wo der dort ursprüngliche Erlen-Bruchwald abgeholzt war, lagen Wiesen, um dort Heu für das Vieh zu machen. Es wurde nicht nur nicht entwässert, sondern vielfach sogar aufgestaut und zwar zu Teichen, um Mühlen zu verschiedenen Zwecken zu betreiben - nicht nur zum Kornmahlen. Bekannt ist der Stau der Wakenitz, der bis in den Ratzeburger See zurückreicht. Heute sind die meisten Teiche wieder verschwunden.

Besonders in der Nähe menschlicher Ansiedlungen gab es Kopfweiden, die den Bedarf an Flechtmaterial und Faßreifen zu befriedigen hatten sowie Schneiteleschen und andere Schneitelbäume,  von denen immer wieder Laub für Viehfutter geschnitten wurde.

Die Wege waren damals schlecht. Alle sagten das. Wer gut zu Fuß war, tat gut zu gehen, nur Kinder und Gebrechliche saßen auf dem Wagen. Reiten konnten nur Wohlhabende. Man fuhr und ging da, wo der Zustand des Weges am besten war. Man mied Pfützen, versumpfte Stellen und zu tief ausgefahrene Gleise. Wenn’s gar nicht anders ging, fuhr man neben dem Weg und eröffnete eine neue Spur. Die Bauern, um ihre Äcker zu schützen, hoben Gräben vor dem Zaun aus. Alleebäume gab’s nicht. Die Wege waren nicht gerade und ihre Breite wechselte. Es fehlten die schnurgeraden Linien und sauberen Kanten in der Landschaft, denn es wurde ja nicht mit Bleistift und Lineal auf dem Papier geplant.

Alter Ochsenweg bei Sorgbrück. Der Weg muß benutzt werden, damit er so bleibt.

Man hüte sich, in der Landschaft herumzuspazieren, zu wandern oder zu joggen. Wer dort nicht bekannt war, wurde sogleich als Landstreicher aufgegriffen, der Räuberei verdächtigt und entsprechend behandelt. Oder man begegnete tatsächlich Räubern. Oder wilden Tieren. Dabei waren Elch, Wisent, Auerochse und Braunbär hierzulande wohl schon verschwunden, nicht aber Wölfe. Und dann waren da noch die bissigen Hunde der Dorfbewohner. Wer also verreisen wollte, schloß sich einem Treck an. Geleitschutz wurde garantiert.

Bild, rechts unten: November - aus dem Stundenbuch des Herzogs von Berry, Chantilly, Musée Condé