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Unsere Sprache

ein, man spricht hier kein Mittelhochdeutsch, das ist dort, wo es vorkam, im 15. Jh. auch schon ausgestorben. Wir befinden uns hier im niedern Deutschland, und unsere Sprache ist Mittelniederdeutsch. Diese ist aus dem Altsächsisch oder Altniederdeutsch, einem Zweig der germanischen Sprachfamilie, entstanden und wird sich in der Neuzeit zum Plattdeutsch weiterentwickeln. Die mittelniederdeutsche Epoche reicht vom 13. bis zum Beginn des 17. Jhs., das klassische Mittelniederdeutsch, die „Hansesprache“, von 1350 bis 1500.

Wie fast jede Sprache ist auch diese in verschiedene Dialekte zerfallen: Westfälisch, Ostfälisch, Nordniederdeutsch, Ostniederdeutsch. Man kann auch noch weiter unterteilen. Weiträumiger Handelsverkehr machte eine gemeinverständliche und möglichst einheitliche Schreibsprache unerläßlich, nachdem man im überregionalen Verkehr allgemein vom Latein zur Volkssprache übergegangen war. So wurde auf nordniederdeutscher Grundlage eine verhältnismäßig einheitliche Schriftsprache geschaffen. Dabei war Lübeck normgebendes Vorbild.

Im Bereich der hansischen Macht galt Niederdeutsch als Lingua franca. In Livland war das Mittelniederdeutsche die Sprache der deutschen Oberschicht, der Deutsche Orden, der Landesherr, jedoch sprach hochdeutsch. Auch in skandinavischen Städten, besonders in Stockholm, sprach ein Teil der Bevölkerung mittelniederdeutsch. Von bleibender Wirkung ist die große Zahl niederdeutscher Lehnwörter im Dänischen und Schwedischen. Diese übergreifende niederdeutsche Einheitssprache ist aber nicht als eine streng normierte und kodifizierte Standardsprache zu verstehen. Sie war Handels-, Rechts-, Diplomatie- und auch Literatursprache. Von der Masse der Bevölkerung wurden weiterhin die örtlichen Mundarten gesprochen; in den größeren Städten gab es sicherlich eine von den Oberschichten gesprochene städtische Umgangssprache. Die Dialekte waren nicht so verschieden, als daß man sich nicht untereinander verstanden hätte. Im Hochdeutschen waren die Verhältnisse auch nicht grundsätzlich anders. Mittelhochdeutsch und Frühneuhochdeutsch waren auch nur eine Summe verschiedener Dialekte mit einer übergeordneten Ausgleichssprache hauptsächlich für den Schreibgebrauch.

Im Hochmittelalter unterschied man entsprechend der geographischen Lage Niederländisch und Oberländisch. Die Herausbildung des Begriffspaares Niederdeutsch Hochdeutsch erfolgte im 15. Jahrhundert. Gegenüber Ausländern nannten wir unsere Sprache düdesch, gegenüber anderen Deutschen sassesch, sassesch düdesch, unse düdesch oder moderlike sprake. Die Vlamen nannten sie oostersch, ihre eigene dietsch, duutsch (sprich düütsch) oder duitsch. Nederlantsch tauchte zum ersten Mal in einem Wiegendruck von 1482 auf und setzte sich rasch durch.

Literatur:

Pierre Brachin, Die niederländische Sprache, Hamburg, 1987
Agathe Lasch, Mittelniederdeutsche Grammatik, 2. unveränderte Auflage, Tübingen, 1974

Robert Peters, Das Mittelniederdeutsche als Sprache der Hanse, in Sprachkontakt in der Hanse, Hr. P. Sture Ureland, Tübingen, 1987

Willy Sanders, Sachsensprache Hansesprache Plattdeutsch, Göttingen, 1982
Dieter Stellmacher, Niederdeutsche Sprache, 2. überarbeitete Auflage, Berlin, 2000

Bild, rechts unten: Sachsenspiegel

(Landrecht III 71 § 1) Sprachenrecht. Wer in seiner Muttersprache beklagt wird, muß darin antworten. Zwei Wenden (des Deutschen unkundig, wie ihre Handhaltung ausdrückt) verhandeln durch deutschsprechende Stammesgenossen vor Gericht.

Aus der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegels 1. Viertel 14. Jh.