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Getreide - Frumentum - Korn

etreide war auch im späten Mittelalter die Grundlage der menschlichen Ernährung, die damals nicht mit einer solchen Gewißheit zur Verfügung stand wie heute. Die Beschaffung des täglichen Brotes war mit einer ziemlichen Anstrengung verbunden. Ca. ¾ ihres Einkommens mußten viele Menschen allein für ihre Nahrung ausgeben, die zum größten Teil aus Brot bestand. 80-85 % des Ertrages benötigte der Bauer für die Ernährung seiner eigenen Familie. Brot wurde hochgeachtet, es wegzuwerfen war unvorstellbar.

Roggen - Secale cereale - Rogge

Roggen setzte sich in Mitteleuropa erst im Laufe des Mittelalters bei gleichzeitiger Verbreitung des eisenbeschlagenen Beetpfluges, der den Winterfeldbau ermöglichte, und des gewölbten Steinofens, mit dem man Brotlaibe backen konnte, auf Kosten der Gerste durch.

Dabei wurde er in Norddeutschland mit Abstand das wichtigste Getreide. Man machte daraus hauptsächlich Schwarzbrot.

Roggen ist anspruchslos, dabei außerordentlich widerstandsfähig gegen Nässe, Trockenheit und Winterkälte. Er gedeiht auch noch auf armen Sandböden. Man baute ihn hauptsächlich als Winterfrucht an.

Die Ernte betrug ca. 5-7,5 dt/ha. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein erntete man im Jahr 2009 72,3 dt/ha und 2010 59,3 dt/ha. Auch heute noch ist sie stark witterungsabhängig. Das Saat-Ernte-Verhältnis war im ungünstigsten Fall 1:2,5. Spitzenerträge gingen bis zu 1:5. Bei diesem Getreide war Dauerfeldbau üblich: 10-15 Jahre hintereinander konnte auf demselben Acker Roggen angebaut werden.

Damals sah ein Roggenfeld wesentlich ungleichmäßiger aus als heute. Das Saatgut mit der Hand gleichmäßig zu verteilen, war nicht ganz einfach. Die Halmlänge reichte damals von 1,60 bis 2,60m. Bei einer solchen Länge war die Lageranfälligkeit groß. Bei Feuchtigkeit gab es Auswuchs, d.h. das Korn begann bereits auf dem Halm zu keimen. Selbst wenn der Auswuchs noch gar nicht zu erkennen war, ging das daraus gemachte Brot schlechter auf und schmeckte schlechter. Bei naßkaltem Mai oder Juni, der Zeit der Roggenblüte, war die Anfälligkeit für Mutterkorn groß. Auch gefährlich war die Kornrade; deren Blüten sind zwar sehr schön, aber deren Samen sind giftig und konnten mit in die Ernte gelangen. Und dann kamen auch noch die Spatzen und Mäuse.
Das Roggenstroh wurde vielseitig verwendet: als Stalleinstreu, Füllung für Strohsäcke, Häcksel für Lehmbau, zum Dachdecken, zum Flechten von Sandalen, Hüten, Matten…

Ein für die Hanse bedeutendes Anbaugebiet war die Weichselgegend in Preußen und Polen. Von dort kam ein großer Teil des Roggens, der von Hansekaufleuten nach Norwegen, Holland und Flandern geliefert wurde.

Saathafer - Avena sativa - Haver

Hafer ist ein Rispengras. Er benötigt ein gemäßigtes Klima mit viel Niederschlägen und hoher Luftfeuchtigkeit, das in den deutschen Küsten- und Mittelgebirgsgegenden herrscht. Nach dem Dreschen bleiben die Spelzen, die das Korn fest umschließen, haften und müssen für die menschliche Ernährung in besonderen Mühlen abgetrennt werden.

Man verwendete Hafer für Grütze und Brei, auch wurde er wie die Gerste zu Fladenbrot verarbeitet. Sogar Malz wurde aus Hafer gemacht, das dem Gersten- und Weizenmalz zugesetzt wurde. Von allen Getreidearten ist Hafer für die menschliche Ernährung am wertvollsten, doch wurde auch ein großer Teil an das Vieh verfuttert.

Den Sandhafer Avena strigosa, den es z.B. in Ostfriesland gab, kann man hier wohl vernachlässigen.

Gerste - Hordeum vulgare - Gerste

Gerstenanbau ist von allen Getreidearten unter den größten Klimaextremen möglich, wegen der relativ kurzen Vegetationsdauer auch in kühleren Gebieten z. B. in Schweden und Bergländern in Deutschland, aber auch in heißen und trockenen Ländern, wo anderes Getreide nicht mehr wächst. Im Mittelalter war Gerste hier ausschließlich Sommerfrucht.

Zweizeilgerste hat dickere Körner und einen größeren Stärkegehalt, daher ist sie zur Malzbereitung und zum Bierbrauen bestens geeignet.

Mehrzeilgerste enthält mehr Eiweiß. Die daraus gemachten Graupen sind entspelzte und polierte Körner, Grütze sind zerkleinerte Graupen. Wegen ihres geringen Klebergehaltes hat Gerste nur schlechte Backeigenschaften, dennoch fügte man deren Mehl gelegentlich dem Brotteig zu. Dafür ist sie das klassische Fladenbrotgetreide. Als es noch wenig Backöfen gab, buk man Fladen auf Eisenplatten über dem Feuer. Hauptsächlich aber kochte man aus Gerste Gerstengrütze.

Saat- oder Weichweizen - Triticum aestivum - Wete

Von allen Getreidearten stellt Weizen die höchsten Ansprüche an Boden und Klima. Die geringen Mengen, die die Lübecker erhielten, kamen hauptsächlich von Fehmarn mit seiner hohen Bodenqualität. Es war in dieser Zeit in lübeckischem Pfandbesitz.

Die Grundherren nahmen den Bauern gerne Weizen als Naturalabgabe ab. Je weiter nach Westen, desto mehr Weizen wurde angebaut. Bei uns war er teuer.
Aus Weizenkörnern feinen Grieß zu machen, gelang erstmals im Jahre 1760.

Buchweizen - Fagopyrum esculentum - Bookwete

Er fällt durch seine herzförmigen Blätter auf, denn er ist kein Gras wie die anderen Getreidearten, sondern ein Knöterichgewächs.

Er gedeiht noch auf den ärmsten Sand- und Moorböden, aber er ist frostempfindlich und darum nur Sommerfrucht. Seine Reifezeit beträgt zehn bis zwölf Wochen. Der sich langsam von Osten ausbreitende Anbau ist in Norddeutschland erstmals für das 13. Jahrhundert nachgewiesen, aber erst seit der Mitte des 15. setzte er sich durch.

Die ärmere Bevölkerung aß Buchweizen als Grütze und Brei.

Rispenhirse - Panicum miliaceum - Herse

Sie ist eine der vielen Arten, die als Hirsen zusammengefaßt werden. Wegen ihrer Frostempfindlichkeit wird sie erst nach den Eisheiligen ausgesät und dann als Hackfrucht behandelt, d.h. der Boden muß zweimal gelockert und von Unkraut befreit werden.

Die Körner sind klein und rund und werden von den Spelzen vollständig eingehüllt und durch Stampfen davon befreit. Hirse ißt man als Brei.
Im Laufe des späten Mittelalters wurde der Hirseanbau in Mitteleuropa aber fast vollständig verdrängt.

Reis - Oryza sativa - Rîs

Reis bezogen wir damals aus der Lombardei. Daß die alten Römer ihn schon hatten, beweist ein Fund von Reiskörnern im Militärlager Novaesium, Neuss, aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.

Die Körner sind von einem sogenannten Silberhäutchen umhüllt, das zwar wertvolle Inhaltsstoffe enthält, das Korn aber leichtverderblich macht. Darum kommt Reis meist geschält und poliert in den Handel. Auf den Tisch kam bei uns Brei aus Rundkornreis - er war eine Festtagsspeise.

Belege für das Vorkommen dieser Getreidearten sind nicht gefunden worden:

Einkorn - Triticum monococcum

Die Ähre zerbricht vor dem Drusch leicht in Einzelteile zu je einem Korn - ein Primitivmerkmal und unpraktisch. Es wurde noch in Südwestdeutschland stellenweise in geringen Mengen angebaut.

Emmer - Triticum dicoccum

Die Bedeutung des Emmers ging hier bereits von der Bronzezeit an zurück. Im Spätmittelalter fehlt er bis auf Reste in Schwaben.

Dinkel - Triticum spelta - Spelte

Dinkel ist anspruchsloser als Weizen. Seine weiteste Verbreitung, auch in Norddeutschland, hatte er in den Jahrhunderten vor Christi Geburt, aber wegen Ertragsarmut und des umständlichen Entspelzens ist sein Anbau immer mehr zurückgegangen, bis er sich im 15. Jahrhundert auf den Südwesten der deutschen Lande beschränkte: das Rheingebiet oberhalb von Köln mit den Schwerpunkten am oberen Neckar und im Gebiet der Aare.

Das Verfahren, aus dem zwei Wochen vor der Reife geernteten Korn durch vorsichtiges trocknen Grünkern zu machen, ist Anfang des 17. Jahrhunderts bei einer Noternte zufällig entdeckt worden.

Hartweizen - Triticum durum

Hartweizen wird im Mittelmeergebiet angebaut - er ist wärmebedürftig. Seine Körner sehen glasig aus und sie sind so hart, daß man sie nicht zu Mehl vermahlen kann, wohl aber zu Hartweizengrieß. Ohne Ei zu Hilfe zu nehmen, kann man daraus Nudeln machen, die im Mittelmeergebiet bereits bekannt waren, bevor Marco Polo aus China zurückgekehrt war.

Kolbenhirse - Setaria Italica

Sie hatte insgesamt eine noch geringere Bedeutung als Rispenhirse.

Mais - Zea mays

Mais ist eine uralte amerikanische Kulturpflanze. Die Spanier haben sie schon bald nach 1500 nach Europa gebracht, aber in Deutschland wird er verstärkt erst nach dem zweiten Weltkrieg angebaut, hauptsächlich als Viehfutter.

Quellen:

Wolfgang Franke, Nutzpflanzenkunde: Nutzbare Gewächse der gemäßigten Breiten, Subtropen und Tropen, Stuttgart 1976

Friedrich-Wilhelm Henning, Deutsche Agrargeschichte des Mittelalters 9. bis 15. Jahrhundert, Stuttgart 1994

Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland: Kulturgeschichte und Biologie, Stuttgart 1987

Bild, rechts unten: Roggen